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Meinung: Anatomie des Stillstands - Ein Verwaltungspunk packt aus

  


Ausbruch aus der Spirale der Angst

Als ehemaliger Verwaltungsmitarbeiter und heutiger Berater für Organisationsentwicklung im öffentlichen Sektor bin ich täglich mit Fragen der Verwaltungsmodernisierung konfrontiert. Das wichtigste dabei ist die Differenzierung zwischen strukturellen Problemen und individuellen Akteuren. Es war ein Montagmorgen im März 2018. Ein Rückblick auf die Entwicklung von 2018 bis 2025 und damit der Startschuss von meinen Aktivitäten als Verwaltungspunk.

Ich saß im Zug von Berlin zurück nach Hamburg. Zwei Tage Creative Bureaucracy Festival lagen hinter mir – volle Panels, inspirierende Keynotes, Menschen, die von „agiler Verwaltung" und „digitaler Transformation" sprachen. Ich hatte Notizen vollgeschrieben. Ideen gesammelt. War elektrisiert.

Um 8:17 Uhr betrat ich mein Büro. Auf meinem Schreibtisch lagen 47 unbearbeitete E-Mails. Mein Kollege aus dem Nebenzimmer kam herein: "Du zwei Kollegen sind ausgefallen und du musst jetzt einspringen, außerdem sind unsere Budgets gekürzt und wir müssen jetzt andere Ziele verfolgen, damit wir da wieder grün sind." Ich schaute auf meine Notizen vom Wochenende. Dort stand: „Mut zur Veränderung". Um 10:30 Uhr saß ich in einer anderen Besprechung. Ich schlug vor, unseren Bewerbungsprozess digital zu gestalten, Social Media und Corporate Influencer zu nutzen und wieder Stille und eine Leere, die sich im Raum ausbreitete. Um 14:00 Uhr hatte ich verstanden: Die Inspiration vom Wochenende würde verpuffen. Nicht aus bösem Willen. Sondern weil es ein System gibt, das stärker ist als jeder einzelne Mensch darin. Daher beschäftigte ich mich seitdem mit der Anatomie des Stillstands und habe alles aufgeschrieben und analysiert, was mir dazu auffiel und einfiel, um doch noch irgendeinen Weg zu finden, um Veränderungen einzuläuten.

Die Anatomie des Stillstands umfasst Verhaltensmuster, Denkmuster und Systemlogiken und manchmal auch ganz einfach Angst.

„Das ist nicht meine Zuständigkeit“ Dieser Satz ist vermutlich der meistgesprochene in deutschen Behörden. Er klingt neutral, sachlich, fast unvermeidlich. Doch was er wirklich bedeutet: Ich will nicht verantwortlich sein für etwas, das schiefgehen könnte. Dahinter steckt Angst. „Das haben wir immer so gemacht“ bringt die Angst zum Ausdruck, dass, das was ich kann, plötzlich nicht mehr gefragt sein könnte.

„Dafür habe ich keine Zeit“ stimmt immer - denn der Betrieb muss laufen und die Anträge müssen bearbeitet werden. Wer soll da noch Zeit haben, Prozesse zu optimieren? Doch wer sich nicht die Zeit nimmt, seine Arbeit zu verbessern, wird immer mehr Zeit mit ineffizienten Prozessen verschwenden.

„Wir finden sowieso keine Leute oder es wird sowieso nicht klappen" Jeder kennt diese Form von Defätismus. Jedes Problem kann als unabänderliches Schicksal dargestellt werden und schon muss man das Problem nicht mehr lösen und kann sich wieder schlafen legen. Und dann gibt es noch diejenigen die Regel-Mythen verbreiten: „Das schreibt das Gesetz oder eine Anordnung vor“- doch ist es wirklich so? Kann man es nicht weiter auslegen? Dann gibt es noch die Dinge, die nie ausgesprochen werden: Angst um Macht. Das gefährdet meine Macht." Der Gatekeeper sagt das nie laut. Er nickt in Meetings, lobt Ihre Initiative – und blockiert sie dann im Hintergrund. Weil Veränderung bedeutet, dass seine Expertise plötzlich weniger gefragt ist. Weil neue Prozesse ihn entbehrlich machen könnten. Weniger Führungskräfte und mehr Selbstorganistation? Und was mache ich dann Die Verwaltung ist darauf ausgelegt, Risiken zu vermeiden, nicht Experimente zuzulassen. Change-Resistenz ist kein Bug, sondern ein Feature. Stabilität um jeden Preis ist der Kern der DNA, selbst wenn das heißt, dass Mehrfachstrukturen nebeneinander bestehen oder man offensichtlich unlogische Prozesse bis in die Ewigkeit fortführt.

Diese Gründe sind mehr als genug, so dass die meisten abwinken und resignieren. Dann wird das hier wohl nichts mehr…

Doch es gibt mittlerweile immer mehr Menschen mit innerer Unruhe, Veränderungswillen und der Bereitschaft, festgefahrene Abläufe offen infrage zu stellen, von daher bin ich sehr hoffnungsvoll, was die Zukunft betrifft.

Florian Zejewski, externer Unternehmer und Kolumnist